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Auszeichnung mit der Europaurkunde

19.06.2022

Prenzlau (spz). Anfang Mai wurde Akhmed Iznaurov mit der Europa-Urkunde ausgezeichnet. „Als ich da in Potsdam bei der Veranstaltung saß, dachte ich: Ist das, was ich mache, nicht ganz normal und selbstverständlich?“, erzählt er. Vielleicht ist es „eigentlich“ selbstverständlich. Aber für viele seiner Altersgenossen ist es das nicht. Und das macht es dann eben doch besonders. Gerade hat Akhmed die 10. Klasse der Grabow-Schule beendet. Er möchte gern Rettungssanitäter werden und hat sich dafür beworben. Genauso könnte er sich auch eine Ausbildung im sozialen Bereich vorstellen. Bislang hat er nur eine Aufenthaltsgestattung und kann quasi immer noch abgeschoben werden. Gerade ist er dabei, sich um einen Aufenthaltstitel zu bemühen, der ihm eine Perspektive zum Bleiben in Deutschland gibt.

Im Frühjahr 2016 ist er mit seiner Familie nach Prenzlau ins Übergangswohnheim für Asylbewerber gekommen. Zu sechst lebten sie in zwei schmalen Zimmern, teilten sich mit vielen anderen Menschen unterschiedlicher Nationalitäten Küche und Sanitärräume. Und das – um es vorwegzunehmen – fünf Jahre lang. „Ich konnte damals kaum Deutsch und kam in die 7. Klasse an der Grabow-Schule“, erzählt er von seinem Ankommen in Prenzlau. „In dieser Zeit fiel es ihm sehr schwer, Prenzlau als seine neue Heimat anzunehmen. Er hatte Probleme mit seiner neuen Lebenssituation, schwänzte die Schule, war aggressiv zu anderen Schülern.“ Diese Sätze aus der Begründung für den Vorschlag, ihn mit der Europaurkunde auszuzeichnen, beschreiben sehr gut seine damalige Situation. Es reicht, sich einen Moment vorzustellen, man müsste selbst auf engstem Raum leben, hätte kaum Privatsphäre, würde auch abends und nachts kaum Ruhe finden, weil gegenseitige Rücksichtnahme in einer Gemeinschaftsunterkunft nun mal nicht oberstes Prinzip ist. „Meistens bin ich erst morgens gegen zwei oder drei Uhr eingeschlafen und um 7.30 Uhr musste ich schon wieder in der Schule sitzen.“ In der Schule, wo er kaum etwas verstand, wo er oft komisch angeschaut und ausgelacht wurde, wenn er sich auszudrücken versuchte. Er kam im Unterricht nicht mit, hatte auch keine Lust, sich alldem auszusetzen. Also schwänzte er. Nicht ab und zu, sondern oft. „Heute ist mir das peinlich“, sagt er. Er musste die 7. Klasse wiederholen. Zu Hause sagte der Vater: „Du musst lernen!“ Im zweiten Anlauf schaffte er die 7. Klasse nur knapp, in der 8. Klasse war es auch noch nicht viel besser. Aber immerhin: Er konnte versetzt werden. Irgendwann in der 9. Klasse legte er den Schalter um. „Ich habe das nur durch meine Lehrer geschafft“, sagt er. Einfach hatten sie es sicherlich nicht mit ihm. Aber sie bestärkten ihn im Lernen, gaben Unterstützung, förderten ihn. Er erzählt von Frau Schön, seiner Klassenlehrerin, von Herrn Böhme und der Schulleiterin, Frau Schlopsnies. In der 10. Klasse sah es dann noch einmal so aus, als hätte er alles verhauen. Zur schriftlichen Prüfung war er krank, vergaß jedoch das Attest abzugeben. An die Verzweiflung, als ihm das bewusstwurde, kann er sich gut erinnern. Und wieder waren es seine Lehrer, die im halfen. Er durfte die 10. Klasse wiederholen. Zu der Zeit auch bekam die Familie eine Wohnung. „Endlich hatte ich wirklich Ruhe zum Lernen. Ich habe es tatsächlich geschafft“, sagt er und den Stolz darauf sieht man ihm an. Er hat die Fachoberschulreife mit Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe in der Tasche. Doch Akhmed strengte sich nicht nur in der Schule an und machte so etwas wie eine Kehrtwende.

Wieder lohnt sich ein Blick in die Begründung zur Auszeichnung: „Akhmed hat selbst erlebt, dass ein Neuanfang in einem fremden Land für Kinder und Jugendliche nicht immer einfach ist“, heißt es darin. Er habe erkannt, wie wichtig Unterstützung ist. Auch die der eigenen Landsleute. So half er an seiner Schule, Kinder und Jugendliche aus Tschetschenien bei der Integration zu unterstützen. Er war für sie ebenso wie für die Lehrerinnen und Lehrer Ansprechpartner, unterstützte im Schulalltag, fungierte als Dolmetscher und als Schlichter und setzte sich für ein gutes Miteinander ein. In der Schule war und ist man stolz auf ihn, sieht ihn als Vorbild für andere und regte deshalb beim Bürgermeister an, ihn mit der Europa-Urkunde auszuzeichnen.

Unter seinen Freunden brachte ihm das durchaus Respekt ein. Auch wenn sie, wie Jugendliche so sind, manchmal ein bisschen darüber witzeln. Sie sehen jedoch, dass ihm sein Verhalten Anerkennung einbrachte und bringt.

 

Ansprechpartner:

Herr Hendrik Sommer
Bürgermeister und Stabsstellen
Bürgermeister

Kategorie:

Bildung und Soziales
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