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Kita-Leiterin wird Dezernentin

10.02.2022

Abschied vom „Kinderland“ für Silke Nessing

Kita-Leiterin wird Dezernentin

 

Prenzlau (spz). Wer sie bei ihrer Arbeit als Kita-Leiterin erlebte, wusste schnell: Die Frau macht nicht nur einen Job. Sie lebt und liebt das, was sie macht. Gut fünf Jahre hat Silke Nessing die Kita „Kinderland“ am Georg-Dreke-Ring geleitet. „Das war eine tolle Zeit“, resümiert sie. Dabei war, als sie das Abi in der Tasche hatte, überhaupt nicht absehbar, dass sie einmal als Kita-Leiterin arbeiten würde. Aufgewachsen in einem Dorf in der Nähe ihrer Geburtsstadt Frankfurt/Oder, wollte sie ursprünglich Lehrerin für Deutsch und Geschichte werden. „Aber ich habe 1989 die 12. Klasse beendet. Also in einem sehr bewegten Jahr. Damals wurde einmal mehr deutlich, wie relativ Geschichte sein kann. Also dachte ich noch mal über den ursprünglichen Wunsch nach und begann, 19jährig und ohne Berufserfahrung, in Plau am See in einem Heim für Schwererziehbare mit 15- bis 17jährigen Jungs zu arbeiten.“ Was sie dort erlebte, so Nessing, sei „hartes Brot“ gewesen. Trotzdem – oder vielleicht auch deshalb – stand nach diesem Jahr mehr denn je fest: „Ich will mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.“ Sie ging an die Pädagogische Hochschule Güstrow, begann ein Sozialpädagogik-Studium, wechselte ein Jahr später an die Freie Universität Berlin, um Sonderpädagogik zu studieren und machte ihren Abschluss als diplomierte Erziehungswissenschaftlerin mit der Fachrichtung Sonderpädagogik. Bereits während des Studiums arbeitet sie bei einem Freien Träger und lernte so alle Formen der Hilfe zur Erziehung kennen; nach dem Studium war sie beim Jugendwerk Ost e.V. in Berlin Marzahn-Hellersdorf als Sozialarbeiterin für das Freiwillige Ökologische Jahr verantwortlich. Bereits damals war für sie klar, dass sie sich nicht allgemein um Kinder und Jugendliche kümmern will, sondern ihr Augenmerk insbesondere den aus welchen Gründen auch immer gesellschaftlich Benachteiligten in der Gesellschaft gilt. Dabei ist sie überzeugt, dass Hilfe nur der bekommt, der Hilfe will. Und doch: Sie kämpfte und kämpft, kannte und kennt keine Entmutigung. „Damals war ich an der Entwicklung eines Bundesprogramms beteiligt, über das Jugendliche, die man neudeutsch ‚bildungsfern‘ nennt, die Möglichkeit erhielten, ein Freiwilliges Ökologisches Jahr zu absolvieren. Sie baute Tagesgruppen für Schulverweigerer ebenso wie eine Einrichtung für lernbehinderte und lernbeeinträchtigte Schülerinnen und Schüler auf. „Damals lernte ich meinen Mann kennen. Er lebte schon in der Uckermark. 2008 folgte ich ihm. Er hat mich, das sagt er immer scherzhaft, aus der Käfighaltung befreit und in die Freilandhaltung geholt. Für mich als Dorfei war das schlüssig. Ich wusste, dass ich spätestens dann, wenn mein Kind in die Schule kommt, aus Berlin fort will.“ Gesagt – getan. Fünf Jahre lang leitete sie dann das Schullandheim „Waldhof“ bei Fürstenberg. Und das immer im engen Kontakt mit dem jungen Publikum. „Umweltbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung für Kita-Kinder genauso wie für Abiturienten“, hatte sie sich neben der Bürotätigkeit als Leiterin der Einrichtung auf die Fahnen geschrieben. Parallel studierte sie von 2009 bis 2014 an der Universität Rostock Bildung für nachhaltige Entwicklung und machte den Master of Arts. Zwischenzeitlich wurde der Schwerpunkt im Schullandheim vom Träger aus anders gewichtet – Silke Nessing ging. „Ich weiß, wie lange es sinnvoll ist, zu kämpfen“, sagt sie knapp. In der Folge arbeitete sie als Bereichsleiterin Jugendhilfe bei der Arbeiterwohlfahrt und im Anschluss als Kita-Leiterin in Lychen. Bis ihr Mann eines Sonntagmorgens in einer der kostenfreien Anzeigenzeitungen vom Wochenende beim Frühstück auf ein Inserat der Stadt Prenzlau stieß. Gesucht wurde eine neue Leitung für die Kita „Kinderland“. „Wäre das nicht etwas für dich?“, fragte er sie. Jetzt galt es sich zu sputen, war doch ausgerechnet an diesem Sonntag Bewerbungsschluss. Sie sortierte und aktualisierte die Unterlagen, druckte sie aus, tütete sie ein und brachte sie abends noch zum Prenzlauer Rathaus. „Und ganz ehrlich: Ich war ziemlich skeptisch, ob man mich nehmen würde. Ich hatte ja kaum Erfahrung in der Kitaarbeit.“ Bei der Stadt erkannte man das Potential, das Silke Nessing mitbrachte. Im Oktober trat sie ihre Stelle als Leiterin der Kita „Kinderland“ an. Sie wusste, welche Themen in ihrer neuen Arbeitsstätte auf der Tagesordnung standen. „Gerade das war es ja auch, was mich anspornte. Zunächst war mir eins wichtig: dem Team bewusstzumachen, dass hier in dieser Kita eine besondere Arbeit geleistet wird; zu verdeutlichen: Eure Arbeit ist wichtig, hat großen Wert, wird gesehen – das wollte ich erreichen. Anerkennung der gemeinsamen Arbeit ist wichtig, um an einem Strang zu ziehen Es gibt hier viele Kinder und Familien, die ein Mehr an Betreuung benötigen. Im nächsten Schritt ging es darum, gemeinsam aufzudröseln, was das Besondere an der Arbeit in unserer Kita ist. Und ganz klar sind das der große Teil von Kindern mit verschiedenen Entwicklungsverzögerungen, die individuelle Elternarbeit und der mit zurzeit knapp über 25 Prozent hohe Anteil an Kindern nichtdeutscher Herkunft. Wir betreuen Kinder aus 17 Nationen.“ Von Seiten der Stadt als Kita-Träger bekam Silke Nessing in ihrem Engagement von Anfang an Unterstützung. Beginnend bei Bürgermeister Hendrik Sommer über den Ersten Beigeordneten Marek Wöller-Beetz und Amtsleiterin Anke Kehn sowie viele anderen Kolleginnen und Kollegen – einschließlich der anderen Kita-Leiterinnen. „Das ist nicht selbstverständlich. Oft erlebt man Skepsis, Vorbehalte, ein Bremsen gegenüber neuen Ideen und Projekten. Hier nicht!“, macht sie deutlich und meint beispielsweise, dass die Stadt die Notwendigkeit erkannte, Christine Richter als Heilpädagogin einzustellen. „Die Stelle ließ sich zunächst nicht refinanzieren und musste komplett aus dem städtischen Haushalt bezahlt werden. Zusätzlich.“ Ebenfalls offene Ohren und sofortige Zustimmung gab es für das Projekt Kiez-Kita und die Bewerbung dafür. „Hier habe ich damals eng mit den SPD-Landtagabgeordneten Simona Koß und Uwe Schmidt zusammengearbeitet.“ Allianzen für Kinder und Familien zu schmieden hat bei ihr nichts mit Parteizugehörigkeiten zu tun. „Mich interessiert: Wer unterstützt ein Projekt und hilft uns, es umzusetzen. Es geht um die Sacharbeit.“ So nahm sie auch Brandenburgs Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur Dr. Manja Schüle beim Wort, als die ihr am Rande eines Besuchs im Landtag die Visitenkarte zusteckte und signalisierte, dass sie zur Verfügung stünde, wenn sie gebraucht wird. „Daran habe ich mich erinnert, ihr per Facebook-Messenger eine Nachricht geschickt und sie zu unserem Kita-Jubiläumsfest eingeladen, um die Kooperation mit den Uckermärkischen Bühnen aus der Taufe zu heben. Die Ministerin im Boot zu haben, ist immer gut“, sagt Silke Nessing. Beim Organisieren besagter Aktion im Landtag, wohin sie im Februar vor zwei Jahren mit einer Gruppe von Hortkindern fuhr, um unter den Abgeordneten von den Kindern gestaltete Glückshefte zu verteilen, hatte ihr wiederum der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen geholfen.

Zurück zur Kiez-Kita: Silke Nessing schrieb das Konzept, 2018 bekam die Kita den Zuschlag. Und es ging weiter. „Eine große Herausforderung für unsere Kita sind die Sprachstandsfeststellungen. Jedes Jahr haben wir eine Reihe von Kindern, die nicht getestet werden können, weil ihnen schlicht die Sprachkenntnisse fehlen. Im Kiez-Kita-Programm wird jedoch nur eine Stelle pro Einrichtung gefördert.“ Den Finger an der richtigen Stelle in die Wunde zu legen, half: die Förderrichtlinie wurde geändert. „Für ‚Deutsch als Fremdsprache‘ wurde die Finanzierung einer zusätzlichen halben Stelle bewilligt - auch aufgrund der Größe der Einrichtung mit zwei Standorten.“ Ebenfalls ins Haus geholt wurde das Programm „Kindergarten plus“. Dabei geht es um die Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen bei den Vier- und Fünfjährigen. Eine Kollegin hat sich dafür fortgebildet und gibt nun ihr Wissen im Team weiter; eine andere hat sich zur Fachkraft für Kinderperspektiven qualifiziert. Überhaupt ist Wissensaneignung für Silke Nessing ein wichtiges Thema. So hat sie ihre jüngere Kollegin Stefanie Missfeldt ermuntert, noch mal die Schulbank zu drücken und sich zur Leiterin ausbilden zu lassen. „Das hat sich jetzt bezahlt gemacht. Denn niemals könnte ich die Kita verlassen, wenn ich nicht wüsste, dass ich sie in sehr gute Hände abgebe“, sagt sie bestimmt. Viele kleinere und größere Projekte waren es, die Silke Nessing und ihr Team umsetzten und „mit denen wir die Kita ein ganzes Stück weit auch aus der Ecke herausholten, in der sie davor war.“ Hartz-IV-Kita und Ghetto-Kita sind nur zwei der stigmatisierenden Begriffe, denen man entgegenzutreten sucht. Und das erfolgreich. „Inhaltlich ist viel passiert. Und es wird weiter viel passieren“, sagt sie sehr zuversichtlich. Die Voraussetzungen dafür sind vorhanden: ein Träger, der um die Bedeutung der Kita-Arbeit und deren besondere Herausforderungen weiß, ein Team, dessen Engagement oft weit über das Normale hinausgeht und zahlreiche Partnerinnen und Partner an der Seite. „Kita-Arbeit muss sich individuell an den Bedarfen der Kinder und der Familien orientieren. Es ist immer wichtig, sich zu fragen: Was brauchen sie?“ Dass es niemals machbar ist, alle zu erreichen, weiß Silke Nessing. „Das sollte uns aber nie entmutigen. Denn wenn wir neugierig machen, einladen, auf die Eltern zugehen, erreichen wir einige. Für sie und deren Kinder ist das ein Gewinn.“

Mit Anfang 50 verabschiedete sich Silke Nessing nun aus dem Kita-Alltag, um künftig als Dezernentin für Jugend, Gesundheit und Soziales im Landkreis Barnim tätig zu sein. Dass sie groß und strategisch zu denken vermag, hat sie längst und oft bewiesen. Unter anderem, als sie gemeinsam mit Amtsärztin Dr. Michaela Hofmann den Kindergesundheitstag der Uckermark im August 2019 initiierte. Von Beispielen dieser Art wird man aus dem Barnim vermutlich künftig öfter hören. Die Kita in Prenzlau will sie von Eberswalde aus nicht aus den Augen verlieren. Denn neben der Freude auf die neuen Aufgaben ist da auch Wehmut. Ein „Danke!“ richtet sie zuletzt noch an alle, mit denen sie gut, fair und sehr konstruktiv zusammenarbeitete; mit einem „Auf Wiedersehen!“ verabschiedet sie sich von den Kolleginnen, Kollegen und vor allem den Kindern. „Es war eine großartige gemeinsame Zeit“, lautet das Resümee, bevor sie ein neues Kapitel aufschlägt.

 

Ansprechpartner:

Frau A. Kehn
Amt für Bildung, Sport und Soziales
Amtsleiterin

Kategorie:

Bildung und Soziales
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